Peru 1989
Kapitel 24
„Der lange Ritt nach Monzón“
(Tag 1)
„Aufbruch ins Ungewisse“
Es war schon taghell, als ich am Morgen die Tür meines Zimmers öffnete. Die Nacht hatte Spuren hinterlassen, in meiner Seele und auf meinem Körper. Ich lief zum Waschtrog und wusch den grünrotblauen Farbenrausch von meiner Haut, aber die Spuren in meiner Seele, die waren für immer.
Die Pferde standen schon gesattelt im Hof. Ein Meerschweinchen rannte aufgeregt durch ihre Beine und Rudi und die anderen Hühner, standen ängstlich in einer Ecke und lauschten dem lautstarken Palaver zwischen Luana und ihrem Mann. Sie stritten heftig in Quechúa und Spanisch. Aus dem Wirrwarr an Vokabeln und Gesten, hörte ich Wörter wie „Caballos, Senderos, Gringo, Contrabando und Muerte, einige Wörter, die mich nachdenklich stimmten. »“Bei dem Wort ‚Muerte‘, musste ich an die alte Indigena in Huánuco denken, die mir den Tod prophezeite. Meine abergläubischen Gedanken hatten mich überfallen“.«
Señor Ortéga beendete den Streit, ging weg und Luana rief ihm zornig hinterher:
„pero rápidamente!“
(aber schnell)
Ich drehte mich um, hielt mein Kopf unter den Wasserhahn und genoss das kalte Wasser auf meiner Haut und in meinen Haaren. Plötzlich bekam ich ein schubsen von hinten und flog mit meinem Oberkörper in den Waschtrog. Ich spürte zwei Hände, die mein Kopf unter das Wasser drückten.
»Normalerweise passte ich immer auf, was hinter mir passierte, aber bei Luana fühlte ich mich relativ sicher und so vernachlässigte ich diesen Lebenssinn.«
Ich packte die zwei Handgelenke und befreite mich aus dieser misslichen Lage.
»Üblich wäre jetzt ein Kopfstoß mit dem Hinterkopf in das Gesicht des Gegners oder ein Stoß mit dem Ellenbogen in den Bauch, aber ich wusste, es konnte nur Luana sein.«
Ich drehte mich um und schüttelte mein Kopf.
„Willst du mich ersaufen?“
Ich spritzte sie nass.
Sie ging ein Schritt zurück und lächelte. Ihre Bluse war ein Knopf zu wenig zugeknöpft, es war ein geiler Anblick.
„Du brauchst eine Gehirnwäsche, willst du mich wirklich begleiten auf diesem gefährlichen Weg nach Monzón?“, ihr Lächeln wechselte in die Ernsthaftigkeit des Alltags, sie war in Rage.
„Ich habe es deinem Mann versprochen, dass ich dich begleite, alleine in den Bergen ist zu gefährlich!“, beruhigte ich sie.
„Mit meinem Mann habe ich gestritten, es dauert mehr als drei Tage. Wenn alles gut geht, drei Tage hin, aber auch drei Tage zurück, wir brauchen ein Packpferd, er ist los gegangen, um eins zu besorgen!“, ihre Stimme wurde ruhiger, gelassener, sie umarmte mich.
„Warum hattest du mir gestern Abend nichts davon gesagt?“, fragte sie mich.
„Ich wollte dich nicht beunruhigen vor der Nacht!“, erwiderte ich und küsste ihren Hals, ihr Dekolleté und den Ansatz ihres Busens. Sie drückte mein Kopf gegen ihre Brüste und flüsterte zärtlich in mein Ohr; „danke dass du mich begleitest!“, sie löste sich aus meinen Armen.
„Komm jetzt, mach dich fertig, pack ein paar warme Sachen ein und das was du brauchst, die Pferde hat er schon gesattelt und er hat uns auch Proviant eingepackt und ein Zelt und Ausrüstung für alle Fälle. Wenn du soweit bist, mach ich Frühstück. Sobald er mit dem Packpferd kommt, dann gehts los!“, sagte sie bestimmend und ging zurück in die Küche.
Rudi und seine Hühner versperrten mir den Weg in mein Zimmer, aufgeregt pickten sie das Grünzeug vom Lehmboden. Als ich in die Hände klatschte, rannten sie in alle Richtungen, nur Rudi blieb stehen und schaute mich an. Er wollte zum krähen ansetzen, hatte es aber verschluckt, weil in dem Moment das Hoftor aufging. Es war Señor Ortéga mit dem Packpferd. Rudi rannte flott zu seinen Hühnern.
„Buenos días Don Waltero, hatten sie eine ruhige Nacht?“, rief er, als er mich sah. Er kam direkt mit dem Pferd auf mich zu, hatte eine ernste Mine.
„Danke, Señor Ortéga, die Nacht war gut!“, erwiderte ich.
„Ich habe euch ein Packpferd besorgt, das ihr braucht und habe ein paar Sachen gerichtet. Proviant und Ausrüstung für den Notfall, Zelt und Schlafsack!“, sagte er in ruhigem Ton.
Luana stand in der Tür und sah zu uns rüber.
Er zog mich langsam hinter das Pferd und sagte:
„Hier, nehmen sie den , es ist zu eurem eigenen Schutz, stecken sie ihn weg, meine Frau muss es nicht wissen!“. Er gab mir ein Revolver samt Munition.
Ich sah ihn verwundert an.
„Der Weg ist nicht ungefährlich, als Kurier muss man sich verteidigen können!“, sagte er mit hoch gezogenen Augenbrauen.
»Als Kurier muss man sich verteidigen, was werden wir transportieren?“, fragte ich mich.«
Luana kam zu uns rüber. „Und, alles in Ordnung mit dem Pferd?“, fragte sie ihren Mann.
„Ja klar, ich war beim Nachbarn, er hat es mir mit Packsattel und Trense ausgeliehen!“, erwiderte er.
„Gut, nach dem Frühstück brechen wir auf, los jetzt, ach ‚Walter‘, vergiss nicht ein paar warme Sachen und Kleidung zum wechseln einzupacken, es könnte kalt werden!“, sagte Luana.
»Im Beisein ihres Mannes gab sie energische Befehle«
Ich ging in mein Zimmer, packte alles nötige in ein Wasserdichten Sack und eilte zu Luana in die Küche zum Frühstück.
„Da bist du ja, komm setz dich her, sag mal, was hat dir mein Mann hinter dem Pferd zugesteckt?“, fragte sie mich während sie mir Kaffee, Marmelade und Fladenbrot brachte.
„Eigentlich sollst du das gar nicht wissen, er gab mir ein Revolver mit Munition!“, sagte ich mit vorgehaltener Hand.
»Es war eine brasilianische Taurus, 357er Magnum, eine alte, robuste Handfeuerwaffe.«
Luana setzte sich neben mich und fragte mich noch mal:
„Willst du mich immer noch begleiten?“, es ist ein gefährliches Wagnis, das du nicht eingehen mußt.
„Ja klar, ich komme mit dir, ich lasse dich nicht alleine durch die Berge ziehen!“, sagte ich ihr und streichelte mit meiner Hand über die Innenseite ihres Oberschenkels.
„Was musst du eigentlich so dringend besorgen?“, fragte ich sie.
Sie sah mich an und meinte nur:
„Das musst du nicht wirklich wissen!“.
»Ich war neugierig auf das, was auf uns zu kam und meine Forschungsreise in Luanas erotische Seele, war lange nicht zu Ende. Diese Frau faszinierte mich, die Stimme, ihre Gestik, ihr ungestümes verhalten auf dem Pferd und in den Bergen. Schon immer liebte ich das Ungewisse, wenn man morgens aufwacht und nicht weiß, was am Abend sein wird. Ich war süchtig auf dieses wilde Leben und konnte in dieser Zeit meine unbändige Wildheit nach Herzenslust ausleben.«
Sie legte ihre Hand auf meine Hand und meinte:
Gut mein Freund, ich geh mal nach dem Packpferd schauen, wenn du soweit bist brechen wir auf!
„Dein Zeug hast du schon gepackt?“, fragte sie mich.
„Aber ja, natürlich, der Sack steht draußen vor meiner Zimmertür!“, sagte ich und trank einen Schluck Kaffee.“
Luana ging nach draußen und stolperte fast über Rudi, der in eine Ecke rannte.
»Sie hatte es wirklich eilig aufzubrechen.«
Als ich mit dem Frühstück fertig war, zog ich meinen kleinen Rucksack über die Schultern, in dem ich den Revolver, Munition, meine Kamera, mein Survival Kit und meine Reiseapotheke verstaut hatte, befestigte ihn mit dem Brustgurt und ging nach draußen. Luana saß schon auf ihrem halbwilden Hengst, der unruhig auf der Straße umher schritt. Das Packpferd, das zwei Säcke mit unserer Ausrüstung trug, hatte sie mit einem Strick an ihrem Sattel befestigt. Ich führte mein Pferd durch das Tor und stieg auf.
„Ich habe dein Mann nicht mehr gesehen, wo ist er?“, fragte ich Luana.
„Er ist zornig zum Nachbar gelaufen, als ich ihm die Sache mit dem Revolver erzählte, sie müssen sich um die Leiche des Lehrers kümmern und fahren gegen Mittag mit dem Jeep nach Huánuco!“, sagte sie und drängte zum Aufbruch. Wir ritten in die Schlucht hinunter, über die Hängebrücke und weiter in östlicher Richtung hoch in die Berge, in das Ungewisse.
Aber das ist wieder die nächste Geschichte.

